Die artgerechte Fütterung von Weidetieren wie Pferden, Rindern oder Schafen beginnt mit dem Verständnis ihres natürlichen Verdauungssystems, das auf eine kontinuierliche Aufnahme von Raufutter ausgelegt ist. Anders als Monogastrier sind diese Tiere darauf angewiesen, über weite Teile des Tages kleine Mengen an faserreichem Material zu sich zu nehmen. Diese stetige Futteraufnahme ist essenziell für die Gesundheit des Verdauungstrakts und stimuliert die notwendige Speichelproduktion. Speichel dient als natürlicher Puffer gegen die Magensäure und beugt somit ernsthaften Problemen wie Magengeschwüren oder einer Übersäuerung des Dickdarms vor. Die Herausforderung in der modernen Haltung besteht darin, diese natürlichen Fressgewohnheiten des Tieres zu imitieren und Futterpausen von mehr als vier Stunden zu vermeiden. Ein stressfreies Fütterungsmanagement legt daher den Grundstein für das Wohlbefinden und die Vitalität der gesamten Herde oder des Einzeltiers.
Der Verdauungstrakt im Fokus: Raufutter als Lebensgrundlage
Die Fasern des Heus und Grases bilden nicht nur die Hauptenergiequelle, sondern sind auch mechanisch notwendig, um die Darmtätigkeit konstant aufrechtzuerhalten. Eine Mangelversorgung an Raufutter oder zu lange Futterpausen können bei empfindlichen Tieren zu schweren Verdauungsstörungen führen. Die Darmflora, die für die Aufspaltung der Zellulose verantwortlich ist, benötigt eine kontinuierliche Zufuhr, um stabil zu bleiben und ihre Funktion optimal erfüllen zu können. Ein gesundes Verdauungssystem ist zudem eng mit einem starken Immunsystem verbunden, da ein Großteil der Immunzellen im Darm angesiedelt ist. Die Überwachung der Qualität des Raufutters und die Sicherstellung einer permanenten Verfügbarkeit sind daher die wichtigsten Aufgaben des Tierhalters. Die optimale Fütterungsstrategie berücksichtigt die Verdauungsphysiologie der Tiere in jedem Detail, um ihre Gesundheit langfristig zu gewährleisten.

Hygiene und Qualität: Schutz vor Schimmel und Verunreinigung
Die beste Fütterungsstrategie ist nutzlos, wenn die Qualität des verabreichten Futters nicht höchsten Standards entspricht, da schlechtes Futter massive gesundheitliche Probleme verursachen kann. Insbesondere Heu und Silage sind anfällig für Schimmelpilze, Hefen und Bakterien, die Atemwegsprobleme oder schwere Koliken auslösen können. Die Lagerung des Raufutters muss daher trocken, gut belüftet und frei von direkter Bodenfeuchtigkeit erfolgen, um die Bildung von Toxinen zu vermeiden. Auch der Futterplatz selbst spielt eine entscheidende Rolle, denn die Tiere sollten das Futter nicht direkt vom verschmutzten Boden aufnehmen, wo es mit Kot und Urin in Kontakt kommt. Regelmäßige Probenentnahmen und Laboranalysen des Futters geben Aufschluss über Nährwert, Hygiene und mögliche Belastungen. Der Tierhalter sollte stets auf eine staubarme Futtergabe achten, besonders bei Tieren mit empfindlichen Atemwegen.
Stressfreie Fütterung: Reduzierung von Futterneid und Rangkämpfen
Die Fütterungssituation ist in jeder Tiergruppe ein potenzieller Stressfaktor, da Futterneid und die natürliche Rangordnung der Herde zu Konflikten führen können. Rangkämpfe am Futterplatz sind nicht nur eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Tiere, sondern führen auch dazu, dass rangniedrigere Tiere zu kurz kommen und nicht genug Futter aufnehmen. Um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, muss sichergestellt werden, dass ausreichend Fressplätze zur Verfügung stehen, idealerweise mehr Plätze als Tiere in der Gruppe sind. Die Verteilung des Futters sollte möglichst gleichzeitig erfolgen, um Wartezeiten zu minimieren und eine frühzeitige Konkurrenzsituation zu vermeiden. Ein wichtiger technischer Baustein zur Reduzierung dieser Konflikte ist der Einsatz einer modernen Heuraufe, die eine langsame, kontrollierte Aufnahme des Futters ermöglicht und gleichzeitig die Hygiene durch die Vermeidung von Bodenkontakt sichert. Die Gestaltung von Futterplätzen mit ausreichend Abstand verringert den Futterstress und trägt entscheidend zur sozialen Harmonie der Gruppe bei.
Die Bedeutung von Wasser: Qualität, Menge und Zugänglichkeit
Oft wird die Wichtigkeit von sauberem, leicht zugänglichem Wasser unterschätzt, obwohl es nach Sauerstoff das wichtigste Element für die Gesundheit und Vitalität der Weidetiere ist. Eine unzureichende Wasseraufnahme führt schnell zu Dehydrierung, was die Verdauung massiv beeinträchtigt und das Risiko von Koliken erhöht. Das Wasser muss stets frisch, sauber und, wenn möglich, auf einer angenehmen Temperatur gehalten werden; zu kaltes Wasser im Winter kann die Aufnahme reduzieren. Die Tränkeplätze müssen so dimensioniert und positioniert werden, dass alle Tiere, unabhängig von ihrem Rang, jederzeit ungehindert Zugang haben. Der Wasserbedarf variiert stark je nach Tierart, Umgebungstemperatur und Leistungsphase (z. B. laktierende Tiere benötigen deutlich mehr Wasser). Eine regelmäßige Reinigung der Tränkebecken verhindert die Bildung von Biofilmen und die Verbreitung von Keimen.
Checkliste: Optimale Raufutterversorgung
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➢ Verfügbarkeit: Sicherstellen, dass die Futterpause vier Stunden niemals überschreitet (ideal ist ad libitum).
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➢ Qualitätskontrolle: Jede Futtercharge auf Schimmel, Staub und Geruch prüfen (bei Zweifeln Analyse beauftragen).
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➢ Fressplätze: Mindestens einen Fressplatz mehr als Tiere in der Gruppe bereitstellen.
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➢ Bodenkontakt: Futter so anbieten, dass es nicht auf den Boden gelangt und mit Kot kontaminiert wird.
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➢ Heunetze/Raufen: Slow-Feed-Systeme nutzen, um die Fresszeit zu verlängern und Langeweile zu reduzieren.
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➢ Sauberkeit: Futterplätze und Tränken täglich reinigen.
Die Umstellung auf ad libitum: Eine Pferdehalterin berichtet
Frau Anna Lechner, 45, Betreiberin eines Pensionspferdebetriebs, berichtet von ihren Erfahrungen mit der Umstellung auf automatisierte Prozesse.
„Wir hatten bei uns im Stall häufig Probleme mit Magengeschwüren und Verhaltensauffälligkeiten wie Koppen und Weben, die wir direkt auf die langen Fresspausen zurückführten. Die Umstellung auf eine sogenannte ad-libitum-Fütterung, also Heu zur freien Verfügung, war zunächst eine große Herausforderung, da viele glaubten, die Pferde würden zu dick werden. Wir haben das Heu in speziellen, engmaschigen Heunetzen und Heuraufen angeboten, die die Aufnahme verlangsamen und die Pferde länger beschäftigen. Die positiven Effekte waren dramatisch: Die Kolikfälle sind seitdem verschwunden, die Magengeschwüre sind abgeheilt und die Unruhe in der Herde hat stark nachgelassen. Die Investition in die Heunetze und die verlängerte Fresszeit haben die Tiergesundheit so verbessert, dass sich die anfänglichen Sorgen um das Übergewicht als unbegründet erwiesen haben.“
Mineralien und Ergänzung: Wann Kraftfutter notwendig wird
Das Raufutter ist die Basis der Ernährung, deckt jedoch oft nicht den gesamten Bedarf an Energie, Eiweiß, Vitaminen und Mineralien ab, besonders bei Hochleistungstieren oder laktierenden Muttertieren. Die Notwendigkeit der Ergänzung mit Kraftfutter oder Mineralfuttermitteln muss individuell für jedes Tier oder jede Tiergruppe bestimmt werden. Eine Überversorgung mit Kraftfutter kann bei Weidetieren schwere gesundheitliche Probleme wie Hufrehe oder Stoffwechselstörungen auslösen. Bluttests und die Analyse der Futterration geben Aufschluss über mögliche Mangelerscheinungen und den exakten Bedarf. Minerallecksteine und die gezielte Gabe von Spurenelementen wie Selen, Zink oder Kupfer sind oft notwendig, um die Gesundheit von Haut, Fell und Immunsystem zu unterstützen. Eine enge Absprache mit dem Tierarzt oder einem unabhängigen Futterberater ist unerlässlich, um die Raufutterration optimal zu ergänzen.

Gesundheit und Ruhe durch intelligentes Management
Die optimale Fütterung von Weidetieren ist eine Symbiose aus qualitativ hochwertigem Raufutter, hygienischen Futterplätzen und einem Management, das die natürlichen Verhaltensweisen der Tiere respektiert. Die Vermeidung von unnötigem Futterstress und die Sicherstellung einer kontinuierlichen Futteraufnahme sind die wichtigsten Präventionsmaßnahmen gegen Koliken und Verhaltensstörungen. Die konsequente Umsetzung dieser Prinzipien führt zu gesünderen Tieren, einer ruhigeren Herde und minimiert die Arbeit für den Tierhalter. Die Investition in moderne Fütterungstechnik und das Wissen um die Bedürfnisse der Tiere zahlt sich langfristig durch geringere Tierarztkosten und eine höhere Produktivität aus.
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